Humanembryologie und Teratologie
Lehrtext 9: Verdauungssystem 16: Physiologische Nabelhernie
Physiologische Nabelhernie
Leber und Mitteldarm wachsen so schnell, dass bald kein Platz mehr im Bauchraum vorhanden ist. Da der Übergang vom intraembryonalen zum extraembryonalen Zölom (Nabelzölom) noch offen ist, kann die sich rasch vergrößernde Schleife des Mitteldarms über diese Verbindung aus dem Bauchraum heraus in den Nabel eintreten. Es kommt so zur physiologischen Nabelhernie, die vom Ende der 5. Woche (10 mm, S16) bis zur 9. Woche (40 mm) besteht. Diese Nabelhernie wird physiologisch genannt, weil sie im Rahmen der normalen Entwicklung auftritt. In derselben Entwicklungsperiode entstehen das Omentum minus, das Omentum majus und die Bursa omentalis.
Die Nabelschleife ist zunächst sagittal eingestellt. Beim Eintritt in den Nabel (Nabelzölom) rotiert die Nabelschleife vom Embryo aus gesehen im Uhrzeigersinn um etwa 90 Grad, der kraniale (oder proximale) Schenkel kommt rechts zu liegen, der kaudale (distale) links (S16). Die Schenkel der Schleife sind dann nicht mehr sagittal, sondern annähernd horizontal eingestellt. Der kraniale Schenkel wächst viel schneller als der kaudale und bildet eine Reihe von Schlingen im Nabelzölom (Animation: Darmdrehung).
Die Ursachen, die zur Rückkehr des Darms in den Bauchraum führen, sind noch unbekannt. Ein wichtiger Faktor dürfte sein, dass der Embryo sich in der Periode dieser Rückkehr aufrichtet und mehr Platz im Bauchraum entsteht. Die Schlingen des kranialen Schenkels kehren zuerst in die Bauchhöhle zurück und kommen im linken unteren Bauchraum zu liegen. Daraus ergibt sich eine weitere Rotation um etwa 90 Grad. Der ursprünglich kaudale Schenkel der Schleife schlägt sich anschließemd über die Darmschlingen nach rechts oben und besetzt so den oberen und ventralen Teil der Bauchhöhle. Caecum und Appendix vermiformis liegen im rechten oberen Quadranten des Bauchraums (Caecumhochstand) (Animation: Darmdrehung).
Colon, Caecum und Mesenterien verändern ihre Lage im Laufe der Fetalzeit. Die endgültige Position wird erst in der frühen nachgeburtlichen Periode erreicht. Diese Entwicklung ist vor allem dadurch charakterisiert, dass das Caecum in die Fossa iliaca gelangt (Animation: Darmdrehung).